Denken an Catharina
Halkes stärkt und macht zugleich traurig: sie hat Bedeutendes für die
Feministische Theologie geleistet, war mir Lehrerin und Freundin - , aber sie
ist dieses Jahr gestorben. Im gleichen Jahr wie die Theologin Else Kähler,
beide waren Vor- und Mitdenkerinnen. Gott hat nicht nur starke Söhne, so
hiess das erste feministisch-theologische Buch von Halkes. Heute muss ich
fragen: wo sind die „starken Töchter“? Sind wir es? Bin ich eine von ihnen?
Oder wo sind sie?
Es tut gut, die
Bücher von Catharina Halkes wieder zu lesen. Immer noch sind sie aktuell, immer
noch berühren sowohl ihre Patriarchats- und Kirchenkritik wie auch ihre
Hoffnung auf Veränderbarkeit, die sie lang oder vielleicht nie aufgegeben hat.
Zwar war sie in den letzten Jahren oft deprimiert über die Entwicklung der
Theologie, über die Schwächung der Frauenbewegung, über fundamentalistische Entwicklungen,
aber sie selber hat den Glauben an eine Erneuerbarkeit von verkrusteten
Strukturen nie aufgegeben. Sie hat an die Geistkraft geglaubt. Das Symposion zu
ihrem 90sten Geburtstag, das an der Universität Nijmegen am 4. September 2010 gefeiert
wurde, wünschte sie sich unter dem Titel Das
Leben feiern. In ihrem nachherigen Brief
an die „ausländischen Gäste“ schrieb sie an uns „liebe Schwestern, die Ihr mir
herzlich verbunden seid in heiliger Geistkraft“ und beendete den Brief mit
folgendem Satz: „Und möge unsere Mutter, die heilige Geistkraft, uns alle auch
weiterhin inspirieren.“
Feminismus –
einen Gegenkultur
Catharina Halkes war für die Entfaltung der
feministischen Theologie in Europa eine wichtige Persönlichkeit. Gemeinsam mit
Elisabeth Moltmann-Wendel hat sie die feministische Theologie eingeführt und
verbreitet. Das 1980 erschienene oben
erwähnte Buch Gott hat nicht nur starke
Söhne hat vielen Frauen und Männern
den Blick für diese kritische Befreiungstheologie geöffnet. Feminismus nennt
Halkes in diesem wie in weiteren Büchern „eine Lebenshaltung“, „eine
Gegenkultur“, „einen Prozess der Befreiung“. Ihre Theologie setzt bei den
Leidenserfahrungen von Frauen an, nimmt diese ernst, wie verschiedenartig sie
auch sein mögen. „Feministische Theologie“ – so lautet eine ihrer
Umschreibungen im Buch Suchen, was
verloren ging (erschienen 1985) –
ist „eine kritische Befreiungstheologie, die sich nicht auf die Besonderheit
der Frauen als solche stützt, sondern auf ihre historische Erfahrung des
Leidens, auf ihre psychische und sexuelle Unterdrückung, Infantilisierung und
strukturelle Unsichtbarmachung infolge des Sexismus in den Kirchen und in der
Gesellschaft.“
Die Kritik von Halkes war immer konkret. Sie hat nie
generalisierend von der Frau oder den Frauen gesprochen; denn sie war sich
der Unterschiedlichkeiten bewusst und hat immer wieder zu differenzierender
Betrachtungsweise angeregt. Überhaupt hat sie sich gegen jede Verabsolutierung
gewehrt, auch wenn sie von Frauenseite kam.
Ermutigende
Toleranz
Auffallend bei Catharina Halkes – in Begegnungen, in
ihren Büchern und Vorträgen – war ihre ermutigende Toleranz, auch den
verschiedenen Richtungen innerhalb der feministischen Theologie gegenüber. Sie
konnte sehr wohl verstehen, dass die einen Frauen Kirche und Christentum
verlassen haben. Es war allerdings nicht ihr
Weg. Aber sie konnte ihn akzeptieren. „Alles hängt von den Motiven einer jeden
Persönlichkeit ab, die ich im vornhinein respektiere; aber ich bewahre mir auch
meine Selbstachtung vor meiner eigenen Wahl und Position.“ Bei der ersten Begegnung mit Catharina in der
Paulus-Akademie Zürich ist mir ihre optimistische Sensibilität aufgefallen. Sie
war davon überzeugt, dass eine Befreiungsbewegung von Frauen zu einer
prophetischen Bewegung auch in den Kirchen werden kann. Dies war im Jahr 1986.
Sie rief die Anwesenden dazu auf, an einer gläubigen Gemeinschaft mitzuwirken,
„die so kraftvoll und mitreissend wird (denn das Heilige färbt ab), dass wir
die Machtstrukturen ganz einfach ‚fortschieben‘, beiseiteschieben“. Diese
Hoffnung auf Veränderung, wenn ich an die damalige Stimmung denke, tut
angesichts der heutigen Situation der Institution Kirche geradezu weh. Aber
1986 war diese Hoffnung stark, und Halkes
wollte sie auch später nicht aufgeben. Hinter die tiefgreifenden Erfahrungen, die sie in Rom
während des Zweiten Vatikanischen Konzils als grosse Weite und Herausforderung
erlebt hatte, wollte sie nie mehr zurücktreten. Dies wurde auch für sie
zunehmend schwieriger.
Schöpfungstheologie
1990 war Catharina Halkes erneut Gast in der
Paulus-Akademie. Die damals 70jährige sprach über Das Antlitz der Erde erneuern. Gedanken zu einer neuen
feministisch-ökologischen Schöpfungstheologie. Dies war auch die Thematik
ihres in jenem Jahr erschienen Buches. Angeregt durch den Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der
Schöpfung hat sie sich über Jahre mit Schöpfungstheologie befasst. Sie
entfaltete in der Studie ihre konkrete Utopie von Gerechtigkeit und
Frieden und einem neuen Verhältnis zwischen
Mensch und Schöpfung. Sie deckte dabei
die problematischen Fundamente der männlich dominierten westlichen Kultur auf
und wies auf notwendige Veränderungen hin. Ihre Untersuchung richtete sie ausdrücklich an
Frauen und Männer, an alle, die sich für
den konziliaren Prozess einsetzen. „Es (das Buch) will uns helfen, uns auf die
tieferen Ursachen des Machtunterschiedes zwischen Frauen und Männern und die
Kluft zwischen Natur und Kultur zu besinnen.“
Dazu entwarf sie die Grundzüge einer Schöpfungstheologie,
in der die Vorstellung vom Menschen als „Herr über die Erde“ korrigiert wird
durch die Verknüpfung mit der Vorstellung vom Menschen als „Bild Gottes“. Frauen und Männer haben nicht nur beide durch
ihre Körperlichkeit Anteil an der Natur, sondern sie haben auch beide als
Ebenbilder Gottes den Auftrag, KulturträgerInnen zu sein. Als wichtiges Charakteristikum
des Gottes der Schöpfung hob sie sein segnendes Handeln hervor, das – im
Gegensatz zum erlösenden Handeln – oft zu sehr in den Hintergrund gerückt
worden sei. Das segnende Handeln bezieht
sich nicht nur auf den Menschen, sondern auch auf Felder und Tiere – auf die
ganze Schöpfung. „Dieses Segnen umfasst Wachsen, Reifen und Abnehmen der
Kräfte, Glück und Gelingen, Geburt und Tod…“. Als weiteren wichtigen Aspekt der
Schöpfungstheologie betonte Halkes die Bedeutung des Sabbats. Zu lange haben
sich die Menschen erlaubt, die Natur zu beherrschen und auszubeuten. Der Sabbat
verweist auf eine andere Haltung. An ihm „gelangt die Schöpfung erst zur Vollendung“,
durch ihn wird klar, dass die Natur nicht dem Menschen gehört, sondern dass er
in ihr wohnen darf inmitten der übrigen Kreaturen. Das Sabbatgebot ist nicht
nur für den Menschen da, sondern auch für das Land, auch für die Pflanzen und
Tiere, für Himmel und Erde. Die „tödliche Asymmetrie zwischen Mensch und Natur“
wird im Sabbat überwunden; er betrifft die ganze mit Gott existierende Welt.
Professur für feministische Theologie
Catharina Halkes war und ist, wie anfangs gesagt, für
die Bewegung der feministischeTheologie in Europa von entscheidender Bedeutung.
Dies durch ihre Persönlichkeit, ihre Bücher, durch ihre unermüdliche
Vortragstätigkeit und nicht zuletzt durch die Ausstrahlung ihrer Arbeit an der
Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Nijmegen. Seit 1970 war sie
an dieser Universität Dozentin im Fachbereich Pastoraltheologie. Nachdem sie
sich jahrzehntelang für die Thematik von Frauen und Kirche, auch für
Frauenordination, engagiert hatte, sah sie sich Anfang der siebziger Jahre mit
grundlegenden Fragen konfrontiert, die
sich auf die Theologie selber bezogen. Entscheidend für die neue Sicht, die sie
– nach ihren eigenen Worten – „blitzartig“ für den Feminismus geöffnet hatte,
war die Lektüre des Buches Beyond God the
Father von Mary Daly, das 1973
erschienen war. Halkes arbeitete sich in das neue Denken ein, ein Denken, das
ihr half, die eigenen Erfahrungen in einen Zusammenhang zu bringen und besser
zu verstehen. Bald begann sie Vorträge zu halten über Feminismus und feministische
Theologie. Doch das schien ihr nicht genug. Sie erkannte, dass die feministische
Theologie an der Fakultät einen klar umschrieben Platz erhalten müsse und setzte
sie sich für die Realisierung ein. Sie erreichte, dass vorerst ein auf vier
Jahre befristetes Probeprojekt unter dem Titel Feminismus und Christentum begonnen wurde. Halkes wurde für dieses
Projekt ernannt, gab ihre Festanstellung bei der Abteilung Pastoraltheologie
auf und setzte sich vorbehaltlos für feministische Theologie ein. Das Projekt hatte grosse
Ausstrahlung und wurde nach der Versuchsphase als feste Planstelle an der
dortigen Fakultät eingeführt. 1983 wurde Catharina Halkes zur ersten
Professorin auf dem Lehrstuhl Feminismus
und Christentum der Universität Nijmegen ernannt. Diese feste Einrichtung,
die auch nach der Emeritierung von Halkes bis jetzt weiterbesteht, ist eine
Errungenschaft, die ohne ihre Klugheit und ihren Mut kaum denkbar gewesen wäre.
Von ihrer Arbeit als Dozentin und Professorin gingen wesentliche Impulse aus:
Die Forschung vieler TheologInnen wurde durch Halkes angeregt; ihr Engagement
hat ferner viele Frauen und Männer zum eigenen Suchen nach den ihnen gemässen
Gottes- und Menschenbildern ermutigt.
Ein Abschied
Teilweise wurde es nach der Emeritierung still um
Catharina Halkes. Zwar erschien 1995 die Festschrift Abschied vom Männergott und
im gleichen Jahr wurde anlässlich ihres 75.Geburtstages in der Akademie Kerk en
Wereld, Driebergen, ein Internationales Symposion organisiert mit dem Titel: Miriam und Cyborg. Generationen in der
feministischen Theologie. Catharina Halkes freute sich über dieses Echo,
war aber zugleich über den Stand/die Wirkung der feministischen Theologie, die
Entwicklung von Kirche und Gesellschaft beunruhigt. Das hat sie in zahlreichen
Briefen ausgedrückt und doch ihre Utopie nicht aufgegeben. An der prophetischen
Dimension des Magnifikats wie auch an der Hoffnung auf die heilige Geistin u.a.
hielt sie mit zärtlicher Energie fest.
Sie war eine wunderbare Frau, eine inspirierende Lehrerin, wir verdanken ihr
viel. „Zu Ihrem Gedächtnis“ werden wir im RomerHaus wichtige Themen von
Catharina Halkes erinnern, sie feiern, Abschied nehmen
erschienen
in Neue Wege 9/2011